Methodisch-didaktische Überlegungen
zum
handlungsorientierten Unterricht
Die Vorabinformationen zu den neuen Sek II - Richtlinien und
die Diskussionen in diversen
Fachzeitschriften zeigen deutlich, dass ein neuer Begriff Einzug
in die Didaktik gehalten hat:
Handlungsorientierung.
Die folgenden Auszüge aus verschiedenen Veröffentlichungen
sollen einen Überblick über
Definition und Begründung, Vor- und Nachteile und Möglichkeiten
der Konkretisierung bieten.
Definition und Begründung
"Die neuere Diskussion um den Erwerb von Schlüsselqualifikationen
legt es nahe, in der Schule
neben der Vermittlung von Wissen (das bleibt weiter so, wenn auch
mit anderen Aneignungs- und
Vermittlungsformen) erweiterte Kompetenzen aufzubauen. Diese reichen
von der Organisation und
Durchführung einer Arbeitsaufgabe über Kommunikation,
Kooperation, Problemlösungs- und
Entscheidungskompetenz bis zu Selbständigkeit, Verantwortung,
Belastbarkeit, Kreativität,
Flexibilität und Lernfähigkeit. Allein diese Perspektive
künftig verstärkt im Berufsleben erwartete
r Kompetenzen macht es notwendig, den Unterricht mehr im Sinne
selbständig durch Schüler und
Schülerinnen geplanter und durchgeführter Vorhaben zu
organisieren.(...)
Schließlich legen neuere Arbeiten zur "subjektiven
Didaktik", aber auch Klaus Holzkamps
subjektwissenschaftliche Lerntheorie sowie Überlegungen zu
einer konstruktivistischen Didaktik nahe,
Lehren nicht weiter mit Lernen zu verwechseln, d.h. so zu tun,
als würden Schüler/innen lernen,
was der Lehrer lehrt. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß
Verstehen eine begriffliche Operation
des Lerners selbst ist, daß er sein Denken selbst baut und
konstruiert, wobei jeder höchst individuell lernt.
Wenn aber ein Schüler ein solcherart sich selbst organisierendes
"autopoietisches System" ist,
kann ein Lehrer ihn allenfalls anregen und begleiten, spezifische
Lernprozesse in Gang zu setzen,
seine Lernwelt zu "modellieren". Mit dem Lernen ist
es wie mit dem Handeln: Es ist subjektorientiert,
- ich handle, weil ich es will oder muß
(auch wenn es mir von außen nahegelegt wird, bleibe ich
der Handelnde!)(...)
Der Unterricht wird nicht im Kopf des Lehrers allein - vorwegnehmend
und undurchschaubar für die
Schüler und Schülerinnen - strukturiert, sondern vom
gemeinsam gewünschten Ergebnis her organisiert.
Damit ändert sich auch die Rolle des Lehrers vom Instrukteur
zum Lernberater.(...)
Die Handlung hat also ein (selbst oder gemeinsam mit andern)
gesetztes Ziel, sie ist eine bewußte und
gewollte Tätigkeit (...) Dem Handlungsziel folgt ein Plan,
wie man dieses verwirklichen könnte.
Eine Handlung strebt also nach Ordnung und Struktur. Teilhandlungen
sind hierarchisch
(auch mit Rückkopplungsschleifen) aufgebaut, von ständiger
Prozeßwahrnehmung und denkender
Steuerung begleitet. Handlungen vollziehen sich nach gelernten
Hanlungsschemata und deren Neu-Kombination.
Während '"reines Denken" als Probehandeln verstanden
werden kann, erweist sich die
Handlungskompetenz erst im Handlungsvollzug. Zum Erwerb von Handlungskompetenz
gehört vor allem
die Fähigkeit des Menschen, seine Handlungen zu reflektieren,
- zu lernen. Ein mit Wissen vollgestopfter Kopf
nützt den Schülern und Schülerinnen nichts, wenn
sie nicht das Handeln lernen. Und Handeln lernt man
nur durch Handeln und seine Reflexion, - so wie man Autofahren
eben nicht allein aus dem Lehrbuch lernt,
sondern durch (die vom Fahrlehrer angeleitete) praktische Erfahrung
und Übung.(...)
Man könnte sagen, daß Begriffe - zentrale Mittel
unseres Denkens - Abkömmlinge und Werkzeuge des
Handelns zugleich sind. Da weiterhin unser Wissen netzwerkartig
gespeichert ist und unsere Begriffe sich
in Clustern oder Begriffshierarchien aufbauen, die durch handlungsorientiertes
Lernen besser gefördert werden
als durch isolierte Informationaufnahme, liegt es nahe, durch
Handlungsprozesse eher "kognitive Landkarten"
aufzubauen als enzyklopädisches Wissen zu vermitteln. Das
Abrufen und Fruchtbarmachen von "sinnvoll"
geordneten Wissensbeständen aber ist wiederum eine zentrale
Bedingung dafür, handeln zu können.
Denn im Handeln ziehen wir sozusagen die Fäden unseres assoziativen
Wissens zusammen, zu einem Knoten
gleichsam, der zielgerichtet eingeordnetes Wissen anwendet und
für die Bewältigung der Handlung fruchtbar macht.
Ein solches "finales Handlungswissen" (also durch
Handeln erworbenes und zu Handlungen befähigendes Wissen)
ist zur Bewältigung von Handlungssituationen im Leben unverzichtbar.(...)
Dazu gehört auch das Training von arbeitsmethodischer
Kompetenz. Wenn Schüler/innen Rhetorik nicht durch
Arbeitsblätter des Lehrers lernen, sondern in einem Debattenwettbewerb
praktisch erproben oder aus
Vorschlägen des Lehrers zur Freiarbeit Erkundungsaufgaben
frei wählen können, wenn Gruppenarbeit in eine
sorgfältig vorbereitete Präsentation der Ergebnisse
mündet, dann zeichnet sich der Weg zum eigentlichen
Ziel deutlich ab: Die "Reinform" handlungsorientierten
Unterrichts ist das Lernen in Projekten.(...)
Allerdings muß als Zielperspektive klar sein: Es geht
nicht um eine Erweiterung des Methodenrepertoires
der Lehrkraft (diesmal als neueste Modewelle eben mal um handlungsorientierte
Verfahren) sondern um ein
grundlegend neues Verständnis von Lernen."
aus: H.Gudjons, Handlungsorientierter Unterricht, in: Pädagogik
1/1997
"Handlungsorientiertes Lernen ist das derzeit heißest
anempfohlene Unterrichtsprinzip.
Das grundlegende Prinzip lässt sich einfach formulieren:
Wer Handlungsfähigkeit will, muss handeln lassen! oder
Wer Selbstständigkeit will, muss Selbstständigkeit gewähren!
Ziel ist die Fähigkeit, sein eigenes Handeln intellektuell regulieren zu können...
Das meint die Fähigkeit, sich vor dem eigentlichen Handeln
des eigenen Verstandes für die Steuerung des
Handelns zu bedienen. Dazu wird vor dem Handlungsvollzug in Gedanken
ein Handlungsschema entworfen,
also die Handlung vorher geplant Solche intellektuelle Fähigkeit
wird durch Methoden gefördert, die eben solche
Vor-Planung den Lernenden überlassen und abfordern, statt
sie vorzuschreiben... Handlungsorientiertes Lernen
erfordert, dass Lernende soweit wie jeweils möglich vollständige
Lernprozesse selbstständig gestaltend durchlaufen
und pädagogische Rückmeldung über ihr Lernverhalten
bekommen."
aus: Friedrich Jahresheft, Lernmethoden - Lehrmethoden, 1997,
S.120-128
Diskussionsbeiträge bitte an gisela@delfs-swora.de schicken.
erstellt: 10.4.2003
aktualisiert: 25.9.2007